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RHYTHMUS
Eine weitgehend noch immer nicht gelöste Frage ist die nach dem Rhythmus im Cantus Gregorianus
Die nahezu unendlich vielen Versuche im 19. Jahrhundert dem Cantus ein rhythmisches System zu unterlegen 1) mündeten in der Editio vaticana und dem Äqualismus, den Andre Mocquereau mit seiner auf Druck von Rom ausgearbeiteten 'Zählmethode von Solesmes' theoretisch untermauerte 2). Diese 'Methode von Solesmes' wurde und ist bis heute maßgebend. Alle 'Töne' sind gleich lang und fließen in Zweier- und Dreiergruppen. gleichmäßig dahin. Notiert ist das in einer von Joseph Pothier entwickelten Quadratnotenschrift, die Notenschriften des 15. Jahrhunderts in Angers sind Vorbild, und überträgt damit die adiastematischen Neumen von St.Gallen auf Linien. Zwei Beobachtungen sind zu machen: Pothier vermeidet tunlichtst Satzenden auf Zeilenenden fallen zu lassen. Er leistet damit der romantischen Vorstellung von der 'ewigen Melodie' vorschub. Die Feinheiten von kurrenten und nicht kurrenten Neumen werden in keiner Weise in die Quadratnotenschrift übertragen.
Die zünftige Musikwissenschaft hält sich heraus. Die Erklärung Huckes „Die Melodien sind trotz aller Versuche … rhytmisch nicht lesbar“ 3) prägt bis heute ihren Zugang zum Choral. „Weil die Choralnotation uns keinen Aufschluss gibt über den Rhythmus ist kein Grund vorhanden, sie in einer Unterschung wie der vorliegenden zu konservieren“ ebend. Wissenschaftliche Untersuchungen verwenden seither eine Punktnotation (notatio a la escrementa di mosce), die jede rhytmische Deutung a priori negiert.
rhythmuslose Tonfolge
absolute Musik
Melodie- oder in stylo verbo-melodico
Damit stehen wir vor einem grundsätzlichen Problem der Choralforschung. Unser Denken geht von einem einmal komponierten allzeit und immer gleichen Choral
1) Pierre Combe, Histoire de la restauration du chant grégoren d´après des documents inédits, Solesmes 1969 2) André Mocquereau, Le nombre musical gregorien, ou rhythmique gregorienne theorie et pratique, Solesmes 1908 3) Helmut Hucke, Untersuchung zum Begriff Antiphon und zur Melodik der Offiziumsantiphonen, S.56f, Dissertation Freiburg i.Br. 1951
Eine Neume beginnt mit der ersten Note, das ist falsch