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erkenntnisse:articulatio

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ARTICULATIO

Die ältesten Handschriften notieren detailliert den 'Rhythmus' der liturgischen Texte, allerdings hat das nichts mit dem Rhythmus unserer abendländischen Musiktradition zu tun, mit ihren Taktstrichen, Vierteln und Halben, ihrem Metrum. Nein, es geht um subtile Hinweise auf den Vortrag der Texte, auf ihre Schwerpunkte, Gliederungen, auf Ritenuto, Ritardando und Accelerando. Um 'musikalischen' Missverständnissen vorzubeugen, sprechen wir deshalb beim Cantus Gregorianus grundsätzlich nicht von seinem Rhythmus, sondern von seiner ARTIKULATION.

Will man sich dem nähern, was im Karolingerreich nach 754 zum CANTUS GREGORIANUS redigiert wurde, so ist von den Neumen St.Gallens auszugehen, Cantatorium ( G 359, ca.923 ) für Graduale und Alleluia, Einsiedeln ( E 121 um 1000 ) für Introitus, Offertorium und Communio, Hartker ( G390/391 ) für die Antiphonen und Responsorien. Laon ( L 239, ca. 930 ) vertieft das Wissen um die Artikulation, indem es mit anderen Mitteln die selben Aussagen trifft.

Weitere Handschriften des 10.Jahrhunderts, Chartres (Messrepertoire) und Mont Renaud (Offizium und Messrepertoire), bestätigen dieses Wissen, sind aber nicht mehr so detailliert. Schon Benevent ( 33+40, 19+21 ) und die Aquitanier ( A+Y; T12+T2 ) bieten praktisch keine Informationen mehr zur Artikulation.

Pes + Clivis

Agustoni nennt zu Recht Pes und Clivis „rhythmisch-melodische Elementarbewegung nach oben und unten“. Artikulation ist nicht bloß eine rhythmische Angelegenheit, auch das Melodie artikuliert den Text. So ist die Pes-Bewegung energischer als die Clivis, sie legt Schwung, Tempo und Gewicht zu, während die Clivis beruhigt, abschwächt und verbindet.

Grundsätzlich unterscheiden die ältesten Notationen kurrente (k) von nicht kurrenten (nk) Neumen. So gibt es in G einen eckigen (nk) Pes und einen runden (k) Pes. Die westfränkischen Handschriften notieren mit verbundener (k) oder getrennter (nk) Schreibweise diesen Unterschied. Schon die Aquitanier und Beneventaner unterscheiden k - nk aber nicht mehr. Allerdings kennt die älteste beneventanische Handschrift Bv33 noch einen 'Pes inito debilis' s.u.
Bei der Clivis (Clv) unterscheidet G drei Kategorien: kurrent - mittel - nicht kurrent, L + Ch sehen nur die zwei üblichen Kategorien k - nk. In MR ist wie bei den Aquitaniern und Benevent nur mehr eine Form der Clv notiert.
So weit wie möglich übertragen wir diesen Befund in die Quadratnotenschrift.

inito debilis

Der erste Ton des Intonationstorculus (TrcINT) ist so leicht, dass er auch entfallen kann. Das gilt ebenso für den akzentvorbereitenden Torculus (TrcPAR) und den Wortendetorculus (TrcFIN). Das gilt aber vor allem auch für den kPes. (e.g. 0733 „voca-bi-tur“, 0024 „et é-go“). Der kPes könnte hier als 'Virga urgens' bezeichnet werden wie der Trc specialis als 'clivis urgens'. Damit ist die übliche Definition der Neumen nach ihrer Tonanzahl nicht treffend, die Anzahl der Tonstufen als Maß zu nehmen, ist eher zielführend. Somit kann es einen eintonigen Pes geben: eine Akzentsilbe, die sich eine Stufe über die Rezitationsebene erhebt (e.g. 0905 „tamquam ó-vis“ Tableau !).
Die Bivirga wird in MR oft, aber auch in anderen Quellen manchmal mit einer kurrenten Pes-Graphie eingeleitet (e.g. 0018 e-ripe me“, 0012 „et ex-audivit“, 0006 „vir-tu-te“). Der unisonische Anschluss mit der vorherigen Silbe ist eher eine emotionale und damit artikulatorische Verstärkung als eine melodische Variation.
In Kadenzen die mit PPO enden wird die Binnensilbe grundsätzlich mit kPes (portamento) vor Vernachlässigung bewahrt. Nicht alle Handschriften folgen dem (e.g. 0045 „fortá-mi-ni“+ „vé-ni-et“).

Unsere heutige Vorstellung von „Noten“ ist vom Klavier, von der Taste her geprägt. Damit drängt sich die Frage auf: “ist hier eine Taste zu drücken oder nicht?“ - „ist das nun ein Ton oder nicht?“. Für die Violine oder für den Sänger stellt sich diese Frage anders. Die Artikulation kennt neben 'ritenuto, ritardando und accelerando' auch die Möglichkeit eines 'portamento'.

Endartikulation

Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note

7746 „vel iudam“ circulatio urgens. Das Portamento hat keine bestimmte Tonhöhe cf.: Tableau et MR !

Liqueszenz

Oriscus

Quilisma

erkenntnisse/articulatio.1707639802.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/02/11 11:23 (Externe Bearbeitung)

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