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erkenntnisse:articulatio

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erkenntnisse:articulatio [2024/02/12 11:21] – [Endartikulation] xaverkainzbauererkenntnisse:articulatio [2024/03/02 09:51] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1
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 Die ältesten Handschriften notieren detailliert den 'Rhythmus' der liturgischen Texte, allerdings hat das nichts mit dem Rhythmus unserer abendländischen Musiktradition zu tun, mit ihren Taktstrichen, Vierteln und Halben, ihrem Metrum. Nein, es geht um subtile Hinweise auf den Vortrag der Texte, auf ihre Schwerpunkte, Gliederungen, auf Ritenuto, Ritardando und Accelerando. Um 'musikalischen' Missverständnissen vorzubeugen, sprechen wir deshalb beim Cantus Gregorianus grundsätzlich nicht von seinem Rhythmus, sondern von seiner ARTIKULATION. Die ältesten Handschriften notieren detailliert den 'Rhythmus' der liturgischen Texte, allerdings hat das nichts mit dem Rhythmus unserer abendländischen Musiktradition zu tun, mit ihren Taktstrichen, Vierteln und Halben, ihrem Metrum. Nein, es geht um subtile Hinweise auf den Vortrag der Texte, auf ihre Schwerpunkte, Gliederungen, auf Ritenuto, Ritardando und Accelerando. Um 'musikalischen' Missverständnissen vorzubeugen, sprechen wir deshalb beim Cantus Gregorianus grundsätzlich nicht von seinem Rhythmus, sondern von seiner ARTIKULATION.
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 +Zu unterscheiden ist das Morphem, der Sinnakzent, vom grammatikalischen Akzent (e.g.: [[ant:7078]]E. <fc #4682b4>"**gé**nuisti"</fc>  - <fc #4682b4>"genu**í**sti"</fc> Auch die Endsilbe kann 'akzentuiert' sein, dann 'betont' es im nachhinein das Wort (e.g.:  [[ant:7219]]E <fc #4682b4>"cecili**a**) famul**a**)"</fc>
  
 Will man sich dem nähern, was im Karolingerreich nach 754 zum CANTUS GREGORIANUS redigiert wurde, so ist von den Neumen St.Gallens auszugehen, Cantatorium ( G 359, ca.923 ) für Graduale und Alleluia, Einsiedeln ( E 121 um 1000 ) für Introitus, Offertorium und Communio, Hartker ( G390/391 ) für die Antiphonen und Responsorien. Laon  ( L 239, ca. 930 ) vertieft das Wissen um die Artikulation, indem es mit anderen Mitteln die selben Aussagen trifft. Will man sich dem nähern, was im Karolingerreich nach 754 zum CANTUS GREGORIANUS redigiert wurde, so ist von den Neumen St.Gallens auszugehen, Cantatorium ( G 359, ca.923 ) für Graduale und Alleluia, Einsiedeln ( E 121 um 1000 ) für Introitus, Offertorium und Communio, Hartker ( G390/391 ) für die Antiphonen und Responsorien. Laon  ( L 239, ca. 930 ) vertieft das Wissen um die Artikulation, indem es mit anderen Mitteln die selben Aussagen trifft.
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-Agustoni nennt zu Recht Pes und Clivis "rhythmisch-melodische Elementarbewegung nach oben und unten". Artikulation ist nicht bloß eine rhythmische Angelegenheit, auch das Melodie artikuliert den Text. So ist die Pes-Bewegung energischer als die Clivis, sie legt Schwung, Tempo und Gewicht zu, während die Clivis beruhigt, abschwächt und verbindet. +Agustoni nennt zu Recht Pes und Clivis "rhythmisch-melodische Elementarbewegung nach oben und unten". Artikulation ist nicht bloß eine rhythmische Angelegenheit, auch die Melodie artikuliert den Text. So ist die Pes-Bewegung energischer als die Clivis, sie legt Schwung, Tempo und Gewicht zu, während die Clivis beruhigt, abschwächt und verbindet. 
  
 Grundsätzlich unterscheiden die ältesten Notationen kurrente (k) von nicht kurrenten (nk) Neumen. So gibt es in G einen eckigen (nk) Pes und einen runden (k) Pes. Die westfränkischen Handschriften notieren mit  verbundener (k) oder getrennter (nk) Schreibweise diesen Unterschied. Schon die Aquitanier und Beneventaner unterscheiden k - nk aber nicht mehr. Allerdings kennt die älteste beneventanische Handschrift Bv33 noch einen 'Pes inito debilis' s.u.\\ Grundsätzlich unterscheiden die ältesten Notationen kurrente (k) von nicht kurrenten (nk) Neumen. So gibt es in G einen eckigen (nk) Pes und einen runden (k) Pes. Die westfränkischen Handschriften notieren mit  verbundener (k) oder getrennter (nk) Schreibweise diesen Unterschied. Schon die Aquitanier und Beneventaner unterscheiden k - nk aber nicht mehr. Allerdings kennt die älteste beneventanische Handschrift Bv33 noch einen 'Pes inito debilis' s.u.\\
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-"Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note". Diese Aussage Agustonis bringt ein wesentliches Element der Artikulation auf den Punkt. Neuzeitliches Denken beginnt mit der ersten Note: das GR notiert bei jeder Neume wenn möglich den //ersten// Ton mit Virga. Mittelalterliches Denken hört mit der //letzten// Note auf. Das ist exemplarisch am [[neumen:neuma#climacus|Climacus]] sichtbar zu machen. L + Ch notieren grundsätzlich bei jeder Neume den letzten Ton mehrwertig, bevor im 11. Jahrhundert das Wissen um die Artikulation überhaupt verschwindet. Soll der erste Ton mehrwertig sein, wie das die Notation des  GR suggeriert, muss in G ein Episem eingesetzt werden, in L ein Uncinus oder gar eine Virga. +"Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note". Diese Aussage Agustonis bringt ein wesentliches Element gregorianischer Artikulation auf den Punkt. Neuzeitliches Denken beginnt mit der ersten Note: daher notiert das GR bei jeder Neume wenn möglich den //ersten// Ton mit Hals, mit einer Virga. Mittelalterliches Denken hört mit der //letzten// Note auf. Das ist exemplarisch am [[neumen:neuma#climacus|Climacus]] sichtbar zu machen. L + Ch notieren grundsätzlich bei jeder Neume den letzten Ton mehrwertig, bevor im 11. Jahrhundert das Wissen um die Artikulation überhaupt verschwindet. Soll der erste Ton mehrwertig sein, wie das die Notation des  GR suggeriert, muss in G ein Episem eingesetzt werden, in L ein Uncinus oder gar eine Virga. \\ 
 +Das GR ist in seiner Quadratnotenschrift von G ausgegangen und der Missverständlichkeit seiner Graphie zum Opfer gefallen. Die Virga als erster, höchster Ton ist vor einem Punctum nicht mehrwertig. Das versichert G in nicht eindeutigen Fällen, indem es zur Virgagraphie ein 'celeriter' dazusetzt e.g. [[grad:0062]] <fc #4682b4>"quoniam tu do-//mi//-ne"</fc>.
  
  
erkenntnisse/articulatio.1707733273.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/02/12 13:21 (Externe Bearbeitung)

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